Achtung! Ich philosophiere hier!

Die Frage ist: tu ich das wirklich? Ich hab in letzter Zeit sehr viel Philosophisches gelesen und auch viel darüber nachgedacht, aber ich komme irgendwie nicht so ganz dahinter, ab wann mein Nachdenken jetzt philosophisches Denken ist. Und ich kriege die Begriffe nicht definiert. Ich stolpere beim Denken irgendwie über meine eigenen Füsse. Soll ich euch mal ein Beispiel geben? 

Da liest man und denkt und denkt und liest und am Ende weiss man auch, um welche Frage es sich dreht. Aber es gibt keine idealen Antworten, nichts einleuchtendes wie 2+2 ist 4. Wie viele platonische Dialoge enden aporetisch? Es geht die ganze Zeit um so erhabene Begriffe wie Gerechtigkeit und Freiheit und am Ende kann man nicht mal genau sagen, was das ist. Ich bin frei. Das kann ich sagen und meinen und trotzdem falsch liegen.

 

Ich habe heute einen Artikel über Tiger gelesen, die nach ihrer Zirkuszeit in einem riesigen Wildtierpark in Afrika gehalten werden. Da stand: Sie spüren Rinde und Erde unter ihren Pfoten, bewegen sich über die weite Fläche, schnuppern die frische Luft und schärfen sich die Krallen an einem echten Baum. Sie sind frei. Ja, nein. Sind sie eben nicht, sie sind in einem Wildtierpark! Da ist ein Gitter um die Tiger drum herum. Jagen können sie nicht, weil sie es nie gelernt haben, deshalb werden sie gefüttert. Es handelt sich ausschliesslich um Männchen. Wo sind diese Tiger bitte frei? Ja, ihre Haltungsbedingungen haben sich drastisch verbessert, aber sie sind doch nicht frei? Sie sind in jeder nur denklichen Weise abhängig von denen ausserhalb des Gitters. Der Mensch will all ihre Bedürfnisse damit erfüllen, aber er ist kein Tiger. Er kennt die Bedürfnisse eines Tigers nicht. Er glaubt mit Rindfleisch bester Qualität und einem riesigen Gehege, wo sie sich auch mal aus dem Weg gehen können, sei alles gut. Nein, nicht moralisch gut, relativ gut. Besser als im Zirkus. Aber nicht frei.

 

 

Soviel schonmal zur Freiheit, die ist sehr komplex. Nach Kant können wir sie gar nicht haben, nicht wenn wir sie so verstehen, wie ich oben bei den Tigern ausgeführt habe. Als Unabhängigkeit von unserer Umgebung. Wir sind sinnliche Wesen und daher von unserer Welt immer abhängig. Der Tiger hat Hunger. In "freier" Wildbahn würde er jagen gehen und sein Hunger wäre nur bei erfolgreicher Jagd befriedigt. Er ist also von den Beutetieren in seiner Umgebung abhängig, von den Ressourcen in seinem Revier und vom Menschen, der dieses Revier beschränkt. Der Tiger kann sich nicht entscheiden, keinen Hunger mehr zu haben. In dieser Hinsicht ist er nicht frei. Und die Zirkustiger aus dem Wildpark oben sind auch nicht in "freier" Wildbahn zuhause, also sind sie in keinem Sinne frei.

Auch wir können uns nicht entscheiden, keinen Hunger mehr zu haben. Wir können uns entscheiden, diese Gefühle zu ignorieren. Das bedeutet aber, dass sie da sind. Und insofern bestimmen sie, was wir tun, nämlich fressen oder Fressen suchen oder den Hunger ignorieren. Unsere Entscheidungsfreiheit ist damit nur Schein. Freiheit liegt für Kant in der geistigen Welt, in die wir glücklicherweise Einblicke haben. Und sie existiert in unseren Handlungen, wenn man zwischen dem Willen, das Richtige zu tun und dem Verlangen wählen muss, wenn man sich aus Pflicht gegen diese Eindrücke der sinnlichen Welt entscheidet.

 

 

Durch den Zwiespalt der sinnlichen und der geistigen Welt sind wir als Wesen beider Welten Gefangene dieses Zwiespalts. Wie Vampire: Sie können tagsüber nur existieren, wenn sie das Sonnenlicht meiden, denn sonst zerfallen sie zu Staub. Sie sind als Wesen der Nacht dazu verdammt, die Hälfte ihrer Zeit im Sarg verborgen zu sein. So existieren sie bei Tage zwar, aber ohne jemals Tageslicht zu sehen. Der Sarg ist ähnlich wie unsere Verbundenheit mit der sinnlichen Welt: er ist unser Gefängnis, dessen wir uns nicht entledigen können, eine hölzerne Kapsel, die uns beengt. Wir sind nur halbe geistige Wesen, wir existieren zwar als geistige Grössen, aber angesichts unserer Begierden werden gute Vorsätze und Theorien staubig. Darum müssen wir uns so darum bemühen, das Richtige zu tun. Darum haben wir den Begriff der Pflicht. Es fällt uns schwer, weil wir zwielichtige Wesen sind. Trotzdem müssen wir es tun, weil wir erkannt haben, das es richtig ist. In diesem Moment, in dem wir aus Pflicht etwas richtiges tun, handeln wir frei. Wir entscheiden uns bewusst gegen die Fessel in dem Moment, wo sie uns vielleicht am meisten beengt.

 

Kants Begriffe von Freiheit und Pflicht sind sehr kompliziert. An den Tigern fiel mir auf, dass er Recht hat, wenn er Freiheit nicht allgemein gebräuchlich verwenden will. Bei einem so krassen Besipiel, bei dem Freiheit und Gehege in einem Atemzug genannt wird, fällt einem der Widerspruch in dieser Annahme auf. Aber ist Kants Verwendung richtig? Warum empfindet man denn Zwang beim Ausüben von Pflicht? Freiheit sollte etwas zwangloses sein, etwas, das Züge von Freiwilligkeit hat. Kants Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Freiheit ist damit in meinen Augen nicht vollständig. Er nennt Freiwilligkeit im Grunde Pflicht und der Zwang wird durch das Drängen unserer sinnlichen Wünsche und Sehnsüchte erklärt. Das klingt bei ihm zwar alles wunderbar erhaben, aber auch elitär. Man ist ein freier Mensch, wenn man aus Pflicht handelt. Wer kann denn bitte beständig gegen diese Fesseln ankämpfen? Die meisten Menschen tun es auch nicht, sie legen sich unreflektierend in ihren Särgen schlafen und betrachten diese, als das was sie sind: Als Teil ihrer Welt. Und müssen sie denn über ihren Sargdeckel hinausreichen? Meistens kann man in der sinnlichen Welt ganz wunderbar zurecht kommen, ohne je über den Tellerrand zu blicken. Doch auch diese Menschen, die so herrlich ignorant durch ihr Gehege stapfen, haben einen Begriff von Freiheit und von Pflicht. Und sie handeln auch danach, auch wenn sie sich das vielleicht nicht erklären können oder ihnen Kants Begriff nicht zusagt- weil sie nämlich Freiheit als Zirkustiger-Freiheit verstehen. Sie sind in ihrem Sinne freie Menschen. Und diese sind damit Kants freien Menschen entgegengesetzt.

 

Also irgendwie erscheint mir die ganze Freiheits-Diskussion jetzt ein wenig kantig. Und ich glaube, ich dreh mich im Kreis. Das ist doch widersprüchlich, kantig und kreisrund. Das Runde muss ins Eckige ist nur im Fussball eine Tautologie, wo sonst bitte passt das? All das erscheint mir irgendwie unzureichend. Und das bedeutet doch, das wir wieder von vorn denken müssen. Leider habe ich gerade beschlossen, es vorläufig hierbei zu bewenden, denn bei Vampiren habe ich noch einen wunderbar abwegigen Nebengedanken beschritten: Ich glaube, ich möchte jetzt lieber einen alten Gruselklassiker sehen, anstatt zu philosophieren. Und ich glaube, das können viele meiner Leser auch sehr gut nachvollziehen.  

       

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    frosch grins (Montag, 03 März 2014 11:53)

    ja wir können darüber nachdenken
    aber leider nicht darüber reden sonst würden wir uns nur im kreis drehen
    so wie du es schon geschrieben hast
    den frei werden wir nie wirklich sein
    gruß frosch